… führte uns unser Weg heute an diesem frühherbstlichen Tag.
Die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland als Bestandteil der Vereinigten Königreiches ist allenfalls fühlbar, aber nicht sichtbar. Es gibt keinen Grenzzaun, keine Kontrollen, keinen Anhaltspunkt und kein Hinweisschild. Es ist eigentlich noch unauffälliger, als vom Land in die Stadt zu fahren.
Den Grenzübertritt erkennt man an Kleinigkeiten, wie den Flaggen. In Nordirland wehen natürlich der Union Jack und die Red Hand Flag of Ulster (Ulster Banner). Die Straßenzeichen sind im britischen Design, auch die Kennzeichnung durch Linien auf den Straßen selbst. In Regionen mit einer besonderen Verbundenheit zu Großbritannien werden die Bordsteinkanten von den Leuten in blau-weiß-rot angemalt. Und es gibt natürlich die üblichen britischen Firmen und Marken.
Wie diese Region sich nach einem harten Brexit entwickeln wird, kann keiner vorhersehen. Leicht wird das aber nicht. Mir ist schon schleierhaft, wie man in diesem Gebiet Grenzkontrollen einrichten will, denn es gibt so viele kleine Straßen und alles geht ineinander über. Wirtschaftliche Folgen wären kaum auszudenken. Nur ein Beispiel: Die Milch aus Nordirland wird zur Verarbeitung in die Republik Irland gebracht, das Produkt dann wieder zurück gebracht. Ein harter Brexit würde das alles unmöglich machen und wäre daher für beide Teile Irlands verheerend.
Unser erster Stopp – außer der Reihe – war Derry/Londonderry. in dieser Stadt am Fluß Foyle hatten die Troubles in den 1960er Jahren besonders große Auswirkungen. Das geht schon beim Namen der Stadt los. Von den Großbritannien treuen Unionisten (meist Protestanten) wird die Bezeichnung Londonderry bevorzugt, Derry von den nationalistischen (meist katholischen und irischstämmigen) Einwohnern. Seit den Troubles hatten vor allem die Medien, die politisch neutral bleiben wollten, ein Problem. Einige Radiosprecher verwendeten konsequent einen Schrägstrich (engl. stroke). Gesprochen hieß das dann Derry-Stroke-Londonderry. Als neutrale und im Alltag häufig – manchmal auch sarkastisch – benutzte Kurzform hat sich auch Stroke City durchgesetzt.
Wir hielten an der Guildhall
und wanderten ein Stück auf der gut erhaltenen Stadtmauer entlang, um von dort aus einige Murals, große Bilder an Häusern, in der Bogside zu sehen. Die Murals enthalten fast immer eine politische Botschaft. So finden sich hier Murals zu den Opfern der Troubles und zum Bloody Sunday.
Die Stadt ist voller Geschichte, aber wir hatten nur eine halbe Stunde… Man möge mir daher verzeihen, dass ich hier nicht die gesamte Geschichte der Troubles erläutere.
Dann ging es weiter an die Küste zum Dunluce Castle. Dunluce Castle liegt zwischen Portballintrae und Portrush auf einem Basaltfelsen und ist eine der größten mittelalterlichen Burgruinen in Nordirland.
Wann die Burg tatsächlich gebaut wurde, lässt sich nicht eindeutig sagen. 1513 gehörte sie nachweislich der Familie McQuillian. Die Burg wurde oft belagert und später von den Clans MacDonnell of Antrim sowie den MacDonalds of Dunnyveg übernommen. Die ältesten Teile standen wohl direkt an den Klippen, um die geringste Angriffsfläche zu geben. Dann wurde die Burg jeweils über die Zeit zum Land hin verbreitert. Es sind noch Überreste von einem Turm vorhanden, dessen Treppenhaus so konstruiert wurde, dass es ebenfalls zur Verteidigung der Burg beitrug. Die Treppe ist so gewunden, dass die Verteidiger, die sich ja oben befanden, genug Raum haben, um mit dem Schwert in der rechten Hand auszuholen. Die Angreifer haben weniger Raum, weil sie die innere Seite des Treppenhauses rechts haben. Zudem ist die oberste Stufe höher als alle anderen, damit ein Angreifer, der damit nicht rechnet, möglichst stürzt. Ganz schön trickreich!
Am 26. Oktober 1588 lief nahe Dunluce Castle die Girona, ein Schatzschiff der Spanischen Arrmada auf Grund; dieses wurde geplündert und der Erlös zur Verschönerung der Burg verwendet.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Burg aufgegeben, der Legende nach, weil den Eigentümern das Brausen des Meeres zu laut geworden sei. Gemäß einer anderen Version soll die Aufgabe der Burg damit in Zusammenhang stehen, dass 1639 die neu errichtete Küche mitsamt Personal ins Meer abgerutscht ist. Der Zeitpunkt dieses Ereignisses ist jedoch strittig, da auf Bildern aus dem frühen 19. Jahrhundert die Burg noch vollständig erhalten ist. Der Abbruch der Felskante wäre demnach erst später erfolgt. Teilweise wird auch vertreten, dass nicht die Küche ins Meer gestürzt ist, sondern die Kirche der Burg.
Schön und eindrucksvoll ist sie immer noch, wie diese Bilder zeigen. Die war Vorbild für Castle Pyke in Game of Thrones, der Burg auf den Iron Islands. Ich habe mir eine entsprechende Illustration im Internet angesehen, einfach erstaunlich.
Nach einer Lunchpause mit dieser Aussicht
ging es dann weiter zum Giant’s Causeway. Dieser gehört zum Unesco Weltkulturerbe. Zu Recht!
Der Giant’s Causeway besteht aus ungefährt 40.000 Basaltsäulen, die etwa 60 Millionen Jahre alt sind. Es gibt zwei Entstehungsgeschichten: Wissenschaftlich werden die Basaltsäulen auf die Abkühlung heißer Lava zurückgeführt. Solche Basaltsäulen können nach Ansicht der Geologen entstehen, wenn sich Lava sehr langsam abkühlt. Die Säulenstruktur ergibt sich durch die Spannungsrisse. Der Vulkan, dessen Lava zur Formation der Säulen führte, ist aber schon lange durch Erosion abgetragen.
Die viel poetischere Erklärung entstammt den irischen Legenden. Zwischen dem irischen Riesen Finn McCool (was für ein Name) und dem schottischen Riesen Benandonner bestand ein Streit. Benandonner warf aus Wut Steine ins Meer von Schottland bis zur Küste von Irland. Finn entschied sich, auf diesen Steinen das Meer zu überqueren. In Schottland angekommen, erkannte er, dass Benandonner viel größer und stärker als er war. Also lief er sofort wieder nach Hause und versuchte, Benandonner auszutricksen. Benandonner kam nun seinerseits nach Irland. Finns Frau verkleidete Finn als Baby und gab vor, dass ihr Ehemann gerade weg und sie mit dem Baby allein sei. Benandonner war von dem Kind völlig geschockt. Wenn ein Baby schon so groß war, wie groß mochte da erst der Vater sein. Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte zurück nach Schottland. Dabei zerstörte er den Weg zu großen Teilen, um zu verhindern, dass Finn nach Schottland käme. Diese Geschichte ist doch viel schöner, als die profane wissenschaftliche Erklärung, oder?
Ich sah mir in den 1,5 Stunden, die wir Zeit hatten, den gesamten Causeway an und lief den Weg bis zu dem Punkt, an dem er im Prinzip gesperrt ist. Aber der Stelle steht aber nur eine Tafel. Man kann den Weg weiter gehen, aber es ist eben gefährlich, weil Teile der Klippen ins Meer zu stürzen drohen. Zurück ging ich dann die Schäfertreppen zum Klippenrandweg hoch und hatte von dort einen wunderbaren Blick auf den Causeway. Morgens und abends ohne die vielen Leute muss es noch viel schöner sein. Wir hatten aber auch hier wieder Glück mit dem Wetter, sogar ein paar Sonnenstrahlen gab es.
Dann ging es wieder in den Bus und nach Belfast, wo wir zwei Nächte bleiben.
Ein wunderschöner Tag.