Zu Fuß und mit dem Rad

Tokyo, 20. Oktober 2019

Heute früh war es sehr schwül und stickig, so dass ich etwas länger brauchte, um auf Touren zu kommen. Kurz nach neun Uhr lief ich aber los. Mein erstes Ziel war Tokyo Station.

Dort tauschte ich meinen Gutschein für den Japan Rail Pass um. Das dauerte lange und war recht kompliziert. Schon in der Schlange wurde man von Personal mit mobilem Tisch befragt und mit einem Formular versehen. Leider verstand ich die Damen kaum und sah mir erst bei den Leuten in der Schlange vor mir ab, dass es Sinn machen könnte, das Fomular auszufüllen. Beim Beamten am Schalter bekam ich dann den offiziellen Pass. Normalerweise bekommt man dann auch gleich die Reservierungen für Sitzplätze im Shinkansen. Das ist aber wegen der Rugby Weltmeisterschaft auf nur eine Reservierung beschränkt worden. Damit war ich nicht sehr zufrieden, aber es war leider nicht zu ändern.

Nachdem das geschafft war, suchte ich den Laden von Traveller’s Notebook im Untergeschoß des Bahnhofs. Bahnhof Tokyo ist ein kleines Labyrinth und ziemlich überlaufen. Daher dauerte es eine Weile, den Mini-Laden zu finden. Traveller’s Notebook sind Tagebücher, die – wie der Name schon sagt – für Reisende gedacht sind. Es ist ein ganz komplexes System von Einband, Innenleben, Aufbewahrung und Schnick-Schnack drum herum. Im Laden im Bahnhof gibt es eine spezielle Ausgabe der Nachfüll-Innenleben, die ich erstanden habe. Das ist eine schöne, bleibende Erinnerung.

Anschließend lief ich nach Ginza zu Ginza Itoya. Das ist ein Kaufhaus für alles, was mit Schreibwaren auch nur entfernt zu tun hat. Das war wunderschön, jedes Stockwerk einem anderen Thema gewidmet und die Auswahl war einfach unglaublich. Fürs Papier gab es extra Leute, die einen erstmal beraten haben und dann wurde das entsprechende Papier aus dem Schrank gezogen. In diesem Geschäft hätte man wirklich einen ganzen Tag verbringen können. Ich habe ein paar Mitbringsel und vor allem Postkarten gekauft. Postkarten sind in Japan nicht besonders üblich und daher nur an bestimmten Stellen zu bekommen. Japaner halten viel von Mitbringseln, aber offenbar wenig von Postkarten.

Auf dem Weg zur Radtour.

Dann war gerade noch Zeit für einen Salat im Cafe, und dann musste ich auch schon zu meinem nächsten Programmpunkt eilen: Eine Fahrrradtour durch Tokyo. Der Treffpunkt war in dem kleinen Biker-Laden nahe Shimbashi Station. Außer mir war noch ein Paar aus Irland dabei und unser Guide Soshi. Auf relativ alten, aber leichten Herrenrädern machten wir uns dann auf den Weg durch Tokyo, drei Stunden und 16 km land.

Als erstes ging es noch einmal durch Ginza, den Nobel-Einkaufsbezirk. Die Hauptstraße kenne ich nun schon gut. Aber auch die Nebenstraßen waren sehr interessant, jeweils bestimmten Themen gewidmet, wie Uhren oder Bars.

Danach kamen wir an eine Brücke, die sozusagen den Nullpunkt von Japan darstellt, weil alle Entfernungen innerhalb Japans von diesem Punkt aus gemessen werden. Der Punkt liegt nun auf der Straße, aber den alten Stein kann man auf der einen Straßenseite noch sehen.

Der Mittelpunkt Japans.
Brückenpfeiler.

Anschließend ging es in das alte Tokyo mit schmalen Gassen, alten Häusern

Altes Tokyo.

und einen buddhistischen Tempel. Bei einem buddhistischen Tempel führt man eine Reinigung durch, für die dieser Brunnen Wasser bereit hält. Das Wasser wird mit der Kelle geschöpft und fünf Mal verwendet: Es wird über die linke und die rechte Hand gegossen, dann in die linke Hand, mit welcher dann der Mund ausgespült wird. Dies dient zur Reinigung des Herzens. Dann wird noch einmal die linke Hand gespült und den Rest des Wassers lässt man über den Stiel der Kelle selbst laufen, damit sie für den nächsten Benutzer sauber ist.

Wasserstelle zur Reinigung.

Weiter ging es dann über eine große Brücke zum Stadion der Sumo-Ringer, wo aber gerade nichts los ist, weil kein Wettbewerb ist. Dort in der Nähe gab es einen sehr schönen japanischen Garten.

Japanischer Garten.
Traditionelle Gartenkunst vor Hochhäusern.

Schließlich fuhren wir durch Electric City. Dort gibt es neben allerlei Elektronik-Geschäften auch die Maid Cafes, wo Menschen, insbesondere Männer einkehren und mit den als Maids gekleideten Bedienungen reden können. Das ganze soll nicht sexuell sein, wie die Japaner immer betonen, und Berührungen sind auch nicht erlaubt. Aber die Maids, die vor den Lokalen potentielle Kunden ansprechen, wirken auf jemanden mit einem europäischen Hintergrund doch sehr seltsam.

Dann ging es an Tokyo Station vorbei zum Kaiserpalast. Dort hielten wir an der schönen Brücke an, über die die Japaner nur zwei Mal im Jahr gehen dürfen, an Neujahr und an Kaisers Geburtstag. Übrigens findet übermorgen die Inthronisierung des neuen Kaisers statt. Der alte Kaiser hat vor einiger Zeit wegen seines Alters abgedankt, wofür zunächst einmal die Verfassung geändert werden musste. Der neue hat zwar schon übernommen, aber es gab noch keine offizielle Feier dazu, die eben nun nachgeholt wird. Dazu werden viele Gäste kommen und deshalb ist aktuell das Polizeiaufgebot in Tokyo auch so hoch. Die zunächst geplante Parade wurde aber abgesagt wegen der Opfer des Taifuns. Die meisten Japaner sind sehr stolz auf den Kaiser aufgrund der jahrtausendelangen Tradition und außerdem ist dann am Dienstag nationaler Feiertag. Und das ohne dass zuvor für einen verstorbenen Kaiser getrauert werden musste. Das fand Soshi sehr gut, denn während der Trauer dürfen beispielsweise keine Komödien gezeigt werden und alles stagniert so ein wenig.

Brücke am Kaiserpalast.

Dann ging es über den Hibiya Park zurück zum Ausgangspunkt und ich machte mich auf den Weg ins Hotel. Dazu nutzte ich für eine kleine Strecke die U-Bahn und lief den Rest. Auf der anderen Seite des Hotels habe ich ein viel besseres Seven/Eleven gefunden, in dem ich noch ein paar Dinge fürs Abendbrot einkaufte und endlich Briefmarken erstand. Die werden unter der Theke gehalten, und ich musste mir auch selbst die richtigen heraussuchen. Dafür sind sie aber sehr kunstvoll.

Es war ein weiterer eindrucksvoller Tag in Tokyo, an dem ich insbesondere auf der Fahrradtour so viel neues gelernt habe. Mit dem Fahrrad darf man hier auf dem Bürgersteig fahren, egal in welche Richtung und auch auf der Straße, wie man möchte. Trotz der vollen Gehwege klappt das prima, da alle Rücksicht aufeinander nehmen und ein erstaunliches Schwarmverhalten vorhanden ist. Die Radfahrer halten sich zumindest an die Ampeln, was viel ausmacht. Alles läuft besser zusammen als in Berlin. Und das Wetter war auch nach der morgendlichen Schwüle angenehm warm und trocken.