Tokyo, 21. Oktober 2019
Heute stand ein Tagesausflug nach Hakone auf dem Programm.
Hakone ist eine Stadt und in gewisser Weise auch eine Region westlich von Tokyo. Sie ist für ihre Thermal-Badestellen (Onsen) bekannt und auch für Ausblicke auf den Vulkan Fuji. Man kann durch die Region eine Rundtour mit verschiedenen Verkehrsmitteln unternehmen, so beispielsweise Bus, Schiff, Seilbahn etc. Für unsere Rundreise waren ursprünglich mehrere Nächte in Hakone geplant. Als Folge des Taifuns gab es an verschiedenen Stellen Landrutsche, so dass momentan Ersatzbusse eingesetzt werden. Meine Zeit während des Tagesausfluges hätte aber sowieso nicht dafür gereicht, so dass ich die Rundtour auch gar nicht geplant habe.
Aber von vorn. Erst einmal musste ich ja nach Hakone kommen. Dazu fährt man mit dem Shinkansen von Tokyo nach Odawara und von dort, wie ich gelernt habe, mit einem kleinen lokalen Zug nach Hakone Yumoto.
Also stand heute früh die erste Zugfahrt in Japan auf dem Programm. Ich lief vom Hotel durch den morgendlichen Berufsverkehr zum Bahnhof Tokyo. Schon die Straßen waren voll. Aber am Bahnhof war es wirklich der reine Wahnsinn. Ich habe mich mehrfach an verschiedenen Punkten an die Wand gestellt oder vor eine Säule, um möglichst wenig im Weg zu sein. Die Menschen sind in Massen in eine Richtung unterwegs. Ein paar in die Gegenrichtung. Aber wenn man aus irgendwelchen Gründen quer will, wird das schwierig. Ich habe das dann nach einem Versuch auch lieber gelassen, es hatte einfach keinen Sinn. Es gab keine Pause in dem Menschenstrom. Irgendwie musste ich mitschwimmen.
Als erstes identifizierte ich den Zugang zu den Shinkansen. Die Shinkansen sind die japanischen Schnellzüge. Allerdings gab es zwei verschiedene Zugänge, je nach Himmelsrichtung der Züge ab Tokyo. Ehrlich gesagt wusste ich das gar nicht so genau. Zum Glück ergab sich das dann nach einem Blick auf den Namen des Schnellzuges.
Hinter der Schranke befanden sich noch ein paar Läden, unter anderem ein Shop für Bento Boxes. Die Japaner nehmen gerne eine Bento Box für ihren Lunch oder eben auch auf Reisen mit. Darin sind dann verschiedene kleine Speisen und Reis enthalten. Es gibt sie in verschiedenen Größen, Ausführungen und Geschmacksrichtungen. Meine Fahrt heute war nicht besonders weit, so dass sich das nicht lohnte. Aber ich will das unbedingt noch ausprobieren. An dem Laden war ein Schild auf englisch, dass es drinnen eine Übersetzungshilfe gebe. Na dann.
Bei den Aufgängen zum Bahnsteig gab es Hinweise, welcher Wagen des Zuges über welche Treppe zu erreichen ist. Die Shinkansen halten nämlich immer an der gleichen Stelle und die Wagen sind immer in der gleichen Reihenfolge. Immer. Ist das nicht absolut unglaublich? Aber der noch viel unglaublichere Teil kommt noch.
Ich war mit viel Zeit am Bahnhof, um mir alles in Ruhe ansehen zu können. So identifizierte ich dann den richtigen Eingang für meine Sitzplatzreservierung für den Shinkansen „Kodama“. Zwischen Bahnsteig und Gleisen gibt es nämlich aus Sicherheitsgründen eine Absperrung. Dort sind automatische Schiebetüren an den Stellen eingelassen, an denen dann die Zugtüren sind. Somit kann niemand aus Versehen ins Gleisbett fallen.
Es stand noch ein Zug am Gleis, der dann leer abfuhr. Dann fuhr unser Zug ein, ca. 15 Minuten vor der Abfahrtszeit.
Zuerst stiegen alle Leute aus. An den Eingängen hatten sich schon vor Einfahrt des Zuges Mitarbeiter aufgestellt, und zwar an jedem Eingang einer, alle in die gleiche Richtung blickend. Nachdem alle Fahrgäste draußen waren, stiegen diese Mitarbeiter ein, die Türen schlossen sich. Die Mitarbeiter reinigten nun in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit den Zug und zwar so gründlich, wie das ein ICE wohl nur selten erlebt. Als erstes wurden die Schonbezüge im Bereich der Kopfpolster entfernt. Und zwar alle. Dann wurden alle Sitze gedreht, damit die Fahrgäste alle in Fahrtrichtung fahren können. Der Zug fährt ja umgekehrt wieder aus dem Bahnhof aus, da der Shinkansen Kodama den ganzen Tag zwischen Tokyo und Osaka pendelt. Eine super Einrichtung. Weil man für das Drehen der Zweier- und Dreier-Sitzbänke Platz braucht, hat man übrigens im Zug eine super Beinfreiheit. Dann fegten die Mitarbeiter mit einem speziellen Besen alle Sitze ab und wischten alle Ablageflächen feucht ab. Zu guter Letzt gab es dann neue Schonbezüge. Und das alles erfolgte überaus effizient in kürzester Zeit. Dann stiegen die Mitarbeiter wieder aus, und der Zug wurde für den Einstieg frei gegeben. Die Fahrgäste hatten sich in der Zwischenzeit ordentlich in einer Schlange angestellt und stiegen zügig ein. Das war auch gar kein Problem, denn der Einstieg ist ebenerdig, keiner muss sich in den Zug hochwuchten. Und dann ging die Fahrt auch schon los.
Vor jedem Bahnhof kommt eine Durchsage, dass gleich ein kurzer Halt in soundso erfolge und man möge mit seinen Sachen bitte bereit stehen. Jedenfalls ist das der Inhalt der englischen Ansage. Bei der japanischen muss das vielleicht nicht erwähnt werden, ich kann das leider nicht beurteilen.
Eine Schaffnerin läuft fortwährend hin und her und schaut, ob jemand eine Frage hat oder irgendwas gerichtet werden muss. Zudem erscheint alle fünf Minuten ein Sicherheitsmensch, der kontrolliert, ob alles seine Ordnung hat. So etwas wie die lärmende Schulklasse auf meiner Fahrt nach Föhr würde hier wahrscheinlich gleich rausfliegen oder auch sich gar nicht erst ergeben, weil alles viel besser organisiert ist. Alle Mitarbeiter verbeugen sich, wenn sie einen Waggon betreten und wenn sie ihn wieder verlassen. Das ist eine ganz andere Wertschätzung sich selbst und den Mitmenschen gegenüber als unsere schlecht gelaunten Schaffner, die es wirklich kaum ertragen können, Arbeit zu haben.
So ging es dann ganz fix nach Odawara, wo ich in einen kleineren Zug nach Hakone Yumoto umsteigen musste. Ich war nicht sicher, ob dieser durch meinen Rail Pass abgedeckt ist, weil ich dazu im Internet unterschiedliche Aussagen gefunden habe. Um das ganz klar zu sagen (ich habe nämlich gefragt), der Hakone Tozan Railway ist nicht mit dem JR Pass abgedeckt. Aber man kann den Zug mit der PASMO Karte bezahlen, was überaus praktisch und zeitsparend war. Mit diesem kleinen Zug ging es dann das letzte Stück nach Hakone, so dass ich um kurz nach 10 Uhr dort eintraf.
Hakone liegt an einem Gebirgsfluss, sehr malerisch in den dicht bewaldeten Bergen.
Ich überquerte eine kleine Brücke, um mir zunächst die etwas unkommerziellere Seite anzuschauen. Aber auch dort gab es ein Seven/Eleven, wo ich einen Onigiri für ein Picknick erstand. Das Wetter war zwar sehr grau, aber immerhin trocken. Dann besuchte ich einen buddhistischen Tempel
und einen Shinto-Schrein.
Eigentlich sollte es noch einen großen Buddha ein Stück weiter geben, den ich aber nicht gefunden habe. Nur zwei kleine Buddhas.
Danach machte ich mich auf den Rückweg zum Bahnhof, über die Geschäftsstraße mit vielen kleinen Lädchen, die die unglaublichsten Sachen verkauften. Vor einem Fischladen mit Bergen von Fisch lungerten die Katzen herum. Es gab einige Touri-Läden, aber auch viel Handwerk von Holzeinlegearbeiten.
Da ich irgendwie mit Yumoto durch war, nahm ich einen früheren Zug als geplant zurück nach Odawara und machte es mir dort im Starbucks gemütlich. Eigentlich bin ich überhaupt kein Starbucks-Gänger. In Berlin jedenfalls nicht. Ich halte den Kaffee dort für eine Zumutung und bekomme ihn nicht runter. Aber hier ist es irgendwie so eine Art Zuflucht. Natürlich saßen viele Japaner in dem Cafe, aber eben auch so einige westlich aussehenden Leute. Kurz: es war heimelig. Dabei gab es durchaus ein paar Anpassungen an Japan, zum Beispiel einen Matcha Chai Latte und japanische Süßigkeiten. So war es dann eine schöne Mischung. Die Zeit verbrachte ich mit einem Chai Latte und meinem Strickzeug und genoß diese Pause sehr.
Nachdem ich ja nun schon so geübt beim Zugfahren war, traute ich mich sogar, einen Zug früher als meine Platzreservierung zurück nach Tokyo zu fahren. Auch dafür haben die Japaner ein System. Jeder Zug hat Wagen, in denen ausschließlich Plätze reserviert werden und Wagen, in denen überhaupt keine Reservierungen vergeben wurden. Wenn man keine hat, sucht man sich in diesen Wagen seinen Platz. Es wird an den Hinweistafeln angezeigt, welche das sind. Und da die Züge ja immer an der gleichen Stelle halten und alle Wagen in der gleichen Reihenfolge sind (siehe oben, immer noch erstaunlich), ist das auch überhaupt kein Problem. So war ich dann schnell nach einem erlebnisreichen Tag zurück in Tokyo.