Tokyo, 25. Oktober 2019
Heute kam der angesagte Regen. Mein Handy-Wetterbericht sprach von „sintflutartigen Regenfällen“ und von „überschwemmendem Regen“. Als Niederschlagsmenge wurden für den Tag 108 mm angegeben. Im Jahr fallen in Tokyo durchschnittlich 1.435 mm Regen. Zum Vergleich: In Berlin beträgt die Jahresmenge 574 mm und in London 621 mm.
Und was soll ich sagen, der Wetterbericht hatte recht. Das war für unsere Begriffe Starkregen, und der fiel durchgehend, ohne Unterlass. Zwar hat Tokyo ein gutes System, um diese Niederschlagsmengen auch abzuführen. Aber zwischendrin stand das Wasser halt doch ziemlich, und man musste aufpassen, wo man hintritt. Und natürlich ist es nicht leicht, auf den vollen Straßen noch mit einem Schirm zu jonglieren.
Schirm, nächstes Stichwort. Ja, ich habe es getan. Ich habe mir heute als erstes einen Schirm gekauft. Den gab es glücklicherweise nebenan im Konbini. Konbinis sind kleine Läden, die meist 24 Stunden am Tag offen haben und alles mögliche für den täglichen Bedarf führen, Getränke, Snacks, Brot, Atemmasken und eben auch Schirme. Was man in Japan halt so braucht. In Berlin nehme ich nie einen Schirm. Ich habe so einen kleinen schwarzen gekauft. Mal sehen, was ich mit dem auf der weiteren Reise noch anstelle. Übrigens wird bei Schirmen teilweise auch angegeben, welchen UV-Wert sie haben. Das ist etwas, über das ich mir zu Hause noch nie Gedanken gemacht habe.
Dann fuhr ich mit der U-Bahn zur Station Ryogoku.
Noch ein Wort zur U-Bahn. Auf den Treppen ist überall ausgeschildert, auf welcher Seite man laufen soll. Mal ist das auf der linken Seite, mal auf der rechten. Teilweise sind beide Richtungen auch unterschiedlich breit. Das macht zwar morgens total Sinn, aber ich frage mich doch, ob sich das im Laufe des Tages nicht umkehrt? Oder ist es nur morgens so schlimm und verteilt sich dann später besser? Faszinierend jedenfalls.
Mein Ziel war das Tokyo Metropolitan Edo-Tokyo Museum. In der Station Ryogoku sollte es laut Reiseführer eigentlich einen Ausgang geben, über den man direkt ins Museum kommen sollte. Natürlich war dieser Ausgang momentan geschlossen. Wäre ja auch zu schön gewesen. Im Museum habe ich dann heute meinen Schirm in einem dieser Schirmständer geparkt. Da ich einen kleinen und nicht den Standard-Stockschirm genommen habe, passte er nur mit Überredung rein. Dann wie ein Profi noch den Rucksack in das 100 Yen Schließfach verstaut und los konnte es gehen. Zwar hat das Museum auch viele Erklärungen auf Englisch, aber heute war mir mal nach Interaktion. Daher habe ich am Schalter gefragt, ob ich an einer englischen Führung teilnehmen kann. Ich dachte da an so eine Gruppenführung zur vollen Stunde. Wie sich herausstellte, gibt es eine ganze Truppe Freiwilliger, welche Besucher in insgesamt 8 (!) Sprachen individuell durchs Museum führen. Kostenlos wohl bemerkt. So kam ich in den Genuß einer 1:1 Führung mit unglaublich vielen Informationen, die sich mir so gar nicht aus den Infotexten erschlossen hätten. Das war großartig.
Das Museum beschäftigt sich mit der Edo-Zeit und der Tokyo-Zeit. Edo ist der alte Name von Tokyo. Schon im 18. Jahrhundert war Edo eine Weltstadt mit einer Million Einwohnern. In 1868 wurde Edo in Tokyo umbenannt. Tokyo ist zu einem großen Teil auf künstlich aufgeschüttetem Boden entstanden. Daher sind Bauarbeiten hier nicht so einfach, und man konnte auch keine Brunnen graben. Tokyo hatte daher schon früh ein Frischwasser- und Abwassersystem über Kanäle und Rohre. Die Wasserstellen haben sich natürlich früher viele Menschen geteilt. Aber die Überlegungen, die da hineingingen, und die Arbeitskraft, sind schon erstaunlich.
Hinein ging es über einen Nachbau der Nihombashi-Brücke, die ich ja in echt schon auf meiner Radtour gesehen habe (der Nullpunkt von Japan). Im oberen Stockwerk gab es viele Dioramen über das Zentrum Tokyos in früherer Zeit und von einzelnen Häusern. Im unteren Stockwerk waren Häuser aus verschiedenen Zeiten aufgebaut. Es gab auch einige Informationen zu Festivals und Entertainment. Ein Highlight für mich war der Backstage Bereich eines Kabuki Theaters mit den verschiedenen Geräten, um passende Theatergeräusche zu machen. Herrlich.
So verging die Zeit wie im Flug, und nachdem sich meine nette Führerin verabschiedet hatte, ging ich noch ein wenig allein durch die Ausstellung, bei der man an verschiedenen Stellen Dinge ausprobieren konnte, zum Beispiel, wie schwer ein Trageholz für Fischkörbe auf der Schulter ist.
Ein wunderbares Museum, das nicht viel Eintritt kostet, aber ganz viel Spaß macht.
Als ich rauskam, goß es immer noch. Ich machte mich wieder auf in die U-Bahn. Mit der fuhr ich bis zu Station Omote-Sando. Das ist ein absolut abgefahrenes Viertel, in dem es einen hochklassigen Laden neben dem anderen gibt: Design, Kunst, elegante Mode, Luxuskarossen und im übrigens auch Steiff-Stofftiere. Mein Ziel aber war ein Wolleladen. Er heißt „Walnut“ und hat als Motiv ein Eichhörnchen. Das war wie für mich gemacht.
Der Laden war mini, aber sehr schön, mit tollen, luxuriösen Wollsorten, und die Menschen sprachen Englisch und Französisch.
Dort habe ich kleinere Stricknadeln für mein Lace-Projekt bekommen (die einzelnen Größen wurden ordentlich in einer Schublade aufbewahrt). Sie haben hier etwas andere Größen, aber ich werde ausprobieren, ob es damit besser aussieht. Dann habe ich noch, ähem, Wolle gekauft. Jaja, ich weiß. Aber es wäre doch so schade gewesen, ohne eine wollige Erinnerung aus Japan abzureisen. Die Wolle stammt aus Japan und ist sozusagen die Eigenmarke des Ladens. Seinen Hauptsitz hat er in Kyoto, wo ich ja nun aufgrund der abgesagten Rundreise nicht mehr hinkommen. Daher habe ich mir die Wolle in der Farbstellung „Kyoto“ ausgesucht. Sie ist schön weich. Ich schätze, da wird eine Stola draus.
Dann ging es noch zur Post, weil ich ein paar Karten aufzugeben hatte. Es war eine große Post, wo man noch andere Dinge wie Versicherungen erledigen konnte. Eine junge Frau wies mich darauf hin, dass man eine Nummer ziehen muss. So verhindert man, dass man in der Schlange steht, die am längsten braucht… Der Postbeamte konnte ein wenig Englisch, aber es war ja sowieso klar, was ich wollte, als ich ihm die Karten rüberschob. Ich durfte mir aussuchen, welche Briefmarken verwendet werden, und er bedankte sich sogar bei mir fürs Warten. Der reine Wahnsinn.
Dann war ich durch, langsam auch an den Schuhen und machte mich auf den Rückweg.
Der Wolleausflug gehört sicher nicht zum Standardprogramm, war aber überaus interessant. Google Maps macht so etwas möglich und auch der Router. Touristen leihen sich für ihren Japan-Aufenthalt nämlich üblicherweise einen Router, über den sie dann mit dem Handy ins Internet gehen können. Das ist unterwegs sehr praktisch. Der Router ist einfach zu bedienen, sogar ich habe es ohne Probleme geschafft. Ein Roaming wäre unerhört teuer. Natürlich kann man auch eine Daten-SIM am Flughafen kaufen, aber über den Router können auch mehrere Geräte ins Internet. In Tokyo hat man an vielen Stellen WIFI, aber wenn man weiter durch Japan reist, ist es hilfreich und einfach.
Ich hoffe, dass es sich nun über Nacht ausregnet. Aufgrund des Regens gibt es leider auch kaum Fotos von heute. Aber das war nichts für die Kamera.